Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz
Beruf und Pflege zu vereinbaren, ist eine Mammutaufgabe. Wenn die Situation akut wird, stehen Berufstätige plötzlich vor einem anscheinend unlösbaren Problem: Kann ich mich krankschreiben lassen, um für meine Mutter eine Pflege zu organisieren? Muss ich meine Stelle kündigen, damit ich mich um mein krebskrankes Kind kümmern kann? Dieses Dilemma hat der Gesetzgeber erkannt. Seit 2015 erlaubt das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) Berufstätigen, sich von der Arbeit freistellen zu lassen, um nahe Angehörige zu pflegen.
Pflegezeit für die häusliche Pflege ist für nahe Angehörige möglich, dazu zählen:
- Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern
- Ehe- und Lebenspartner:innen, Partner:innen in einer ehe- oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft
- Geschwister, Schwägerinnen und Schwäger
- Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder (auch die des Ehe- oder Lebenspartners), Schwiegersohn oder -tochter, Enkelkinder
Varianten der Freistellung vom Job für Angehörige
Das Pflegezeitgesetz bietet – auch für Angehörige von Krebspatienten – die Freistellung beziehungsweise Stundenreduzierung von zehn Tagen bis zu maximal 24 Monaten (als Pflegezeit plus Familienzeit). Die Auszeiten können Sie in Absprache auch kombinieren. Sie müssen aber nahtlos aneinander anschließen. Ab der Ankündigung genießen Sie während dieser Zeiten Kündigungsschutz.
Besonderheit: Wenn Ihr pflegebedürftiges Kind oder Enkelkind unter 18 Jahre alt ist und Betreuung braucht, muss die Pflege nicht zwangsläufig zu Hause stattfinden. Der Rechtsanspruch auf Freistellung gilt trotzdem. Voraussetzung ist eine Pflegebedürftigkeit mit mindestens Pflegegrad I.
Kurzfristig: Freistellung von bis zu zehn Arbeitstagen
Sie brauchen schnell ein paar Tage frei, weil Ihr krebskranker Vater aus der Klinik nach Hause kommt? Als Angehörige:r können Sie in diesem Fall bis zu zehn arbeitsfreie Tage beantragen, um die Versorgung sicherzustellen. Diese „kurzzeitige Arbeitsverhinderung“ müssen Sie Ihrem Arbeitgeber mitteilen: Geben Sie an, wie viele Tage Sie voraussichtlich nicht arbeiten können. Diese Auszeit können sich Angehörige auch teilen, zum Beispiel Ehepartner. Der Arbeitgeber kann eine ärztliche Bescheinigung verlangen.
Ob Sie in diesen Tagen Gehalt bekommen, entscheidet der Arbeitgeber, die Leistung ist in der Regel freiwillig, wenn keine anderslautende Vereinbarung im Arbeits- oder Tarifvertrag besteht. Als Ausgleich für die Gehaltseinbußen können Sie aber einen Antrag auf Pflegeunterstützungsgeld bei der Pflegekasse stellen. Übrigens: Ihr Anspruch auf kurzfristige Freistellung besteht unabhängig von der Betriebsgröße.
Längerfristig: Freistellung von bis zu sechs Monaten
Wer langfristig eine:n Angehörige:n zu Hause pflegt und berufstätig ist, kann bis zu sechs Monate Pflegezeit in Anspruch nehmen, die Freistellung ist vollständig oder teilweise möglich. Die Pflegezeit lässt sich aber nicht in mehrere getrennte Abschnitte aufteilen. Voraussetzung für einen Rechtsanspruch: Der Betrieb beschäftigt mindestens 16 Angestellte. Andernfalls kann Ihr Arbeitgeber oder Ihre Arbeitgeberin der Freistellung freiwillig zustimmen.
Der Medizinische Dienst der Krankenkassen oder der Pflegekasse muss die Pflegebedürftigkeit bescheinigen. Sie müssen diese Pflegezeit zehn Tage vor Beginn schriftlich ankündigen und dabei Zeitraum und Stundenumfang nennen. Alle Details dieser Absprache halten Sie und Ihre Chefin oder Ihr Chef schriftlich fest.
Langfristig: für maximal zwei Jahre Arbeitszeit reduzieren
Teilweise Freistellung (Familienpflegezeit): Höchstens 24 Monate lang können Arbeitnehmer:innen ihre Arbeitszeit reduzieren, auf durchschnittlich mindestens 15 Stunden pro Woche. Die Mindestarbeitszeit ist keine Schikane. Sie soll berufliche Fähigkeiten sichern und verhindern, dass Arbeitnehmer:innen den Anschluss an ihren Job verlieren. Diese Form der Teilzeitarbeit kann sich beispielsweise an eine komplette Freistellung, also die Pflegezeit (maximal sechs Monate), anschließen. Familienpflegezeit und Pflegezeit dürfen zusammen längstens 24 Monate dauern.
Anspruchsvoraussetzung: Ihr Betrieb beschäftigt mindestens 26 Angestellte. Auch dabei gilt: In kleineren Unternehmen ist eine freiwillige Vereinbarung möglich. Ihr Vorhaben müssen Sie als Anschluss an Pflegezeit drei Monate, sonst acht Wochen zuvor ankündigen. Die Details werden auch dafür schriftlich vereinbart.
Begleitung in der letzten Lebensphase: bis zu drei Monate
Die Erkrankung schreitet fort, eine Heilung ist ausgeschlossen: In der letzten Lebensphase wollen viele Angehörige erkrankte Familienmitglieder begleiten und ihnen alle verfügbare Zeit widmen. Das ist verständlich. Dafür können Sie sich eine vollständige oder teilweise Auszeit nehmen, bis zu drei Monate sind gesetzlich vorgesehen.
Diese Chance eröffnet sich nicht nur, wenn Sie Angehörige zu Hause pflegen. Sie schließt die Betreuung in Hospizen, Pflegeheimen oder auf Palliativstationen ein.
Pflegezeit flexibel anpassen
Die Pflegezeit lässt sich planen, doch der Gesundheitszustand Ihrer Angehörigen kann sich rasch verändern. So können Sie flexibel reagieren:
- Verlängerung: Wenn Sie die Pflegezeit zunächst kürzer als sechs Monate beantragt haben, lässt sich diese bis zur Höchstdauer verlängern, sofern der Arbeitgeber zustimmt. Die Verlängerung muss unmittelbar an den ersten Zeitabschnitt anschließen.
- Vorzeitige Beendigung: Wenn der Angehörige sich schneller als erwartet erholt oder wenn die Pflege zu Hause nicht mehr zu leisten ist, ändert das die Situation. Darüber müssen Sie Ihren Arbeitgeber oder Ihre Arbeitgeberin sofort informieren. Die Pflegezeit endet mit einer Übergangsfrist von vier Wochen nach Eintritt der Veränderung. Sie möchten die Auszeit ohne schwerwiegenden Grund vorzeitig beenden? Dann muss der Arbeitgeber dafür grünes Licht geben.
Können Arbeitgeber:innen Pflegezeit ablehnen?
Der rechtliche Anspruch für die verschiedenen Pflegezeit-Modelle hängt von der jeweiligen Betriebsgröße ab. Zudem können Arbeitgeber:innen den Antrag auf Freistellung ablehnen, wenn dringende betriebliche Gründe ihr entgegenstehen.
In der Praxis dürfte das der Ausnahmefall sein. Denn das Unternehmen muss die Dringlichkeit begründen. Das könnten zum Beispiel unverhältnismäßige Kosten sein, die durch den Wegfall des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin entstünden. Bloße Schwierigkeiten mit der Umstrukturierung im Betrieb zählen nicht.
Finanzielle Absicherung für pflegende Angehörige
In der Regel erhält die Pflegeperson während der kurzfristigen Pflegezeit kein Gehalt – außer, Chef oder Chefin zahlen freiwillig den Lohn weiter oder es besteht eine entsprechende Vereinbarung im Arbeits- oder Tarifvertrag.
Sie können für die kurzzeitige Freistellung jedoch Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung bei der Pflegeversicherung beantragen. Es wird berechnet wie Kinderkrankentagegeld und liegt meist bei 90 Prozent des weggefallenen Nettolohns, höchstens jedoch 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze. Wenn Sie diese Finanzhilfe erhalten, bleibt die Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung bestehen.
Bei einer Teilzeit-Pflege bleiben Sie ebenfalls sozialversichert. Wenn Sie sich in Vollzeit um Angehörige kümmern, sollten Sie sich nach der Möglichkeit einer Familienversicherung erkundigen. Andernfalls müssen Sie sich unter Umständen beispielsweise freiwillig krankenversichern.
Um sich für eine längerfristige Betreuung abzusichern, können Sie beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) ein zinsloses Darlehen beantragen. Es wird in monatlichen Raten ausgezahlt und soll den Verdienstausfall auffangen. Nach Ende der Freistellung müssen Sie das Darlehen in Raten zurückzahlen.