Therapie beendet, alles wieder gut? So ist es selten. Der Krebs mag in seine Schranken gewiesen sein – dennoch können viele Krebspatient:innen die Uhr nicht einfach zurückdrehen. Zu einschneidend sind die Erfahrungen durch die Erkrankung.
Denn zwischen der Diagnose Krebs und dem Ende der Therapie liegen in der Regel intensive Phasen der Verarbeitung, die womöglich mit großen psychischen Belastungen verbunden sind. Kein Wunder, dass auch nach der Krebserkrankung die seelische Gesundheit Aufmerksamkeit fordert.
Wie verändert Krebs den Menschen?
Krankheit und Behandlung hinterlassen Spuren. Nach einer erfolgreichen Krebstherapie verschwinden die psychischen und physischen Veränderungen nicht einfach wieder. Viele Betroffene formulieren es so: Einmal Krebspatient, immer Krebspatient.
Als besondere psychische Belastung nach der Krebserkrankung gilt die Angst vor einem Rückfall. Das heißt auch: Das Gefühl der Unverletzlichkeit, mit dem die meisten Menschen instinktiv durchs Leben gehen, ist verschwunden.
Für Patient:innen mit der Diagnose Krebs zählt zudem die Zeit nach dem Abschluss der Behandlung zu jenen Phasen der Verarbeitung, die besonders schwer zu bewältigen sind: Während der laufenden Krebstherapie gibt es eine Struktur mit regelmäßigen Terminen und festen Ansprechpartner:innen. Angehörige und Bekannte reagieren meist mit Verständnis auf eine gedrückte Stimmung.
Anschließend aber bricht dieser äußere Rahmen abrupt weg. Das Leben erscheint dann oft schwieriger als während der Behandlung. Gleichzeitig lässt das Verständnis im Umfeld meistens nach. „Du hast es doch jetzt überstanden” – solche Aussagen sind keine Seltenheit und verständlich. Denn alle Beteiligten wünschen sich eine Rückkehr zur Normalität. Viele Betroffene fühlen sich dann mit Sorgen und Ängsten allein gelassen.
Individuelle Strategien der Krebsverarbeitung
Betroffene verarbeiten die überstandene Krebserkrankung sehr individuell. Viel hängt davon ab, wie Krisen bislang gemeistert wurden. Manche Patient:innen reagieren mit Aktionismus, andere sind traurig oder gleichgültig.
Welche Strategien am besten helfen, eine Krebserkrankung zu bewältigen, lässt sich deshalb nicht pauschal sagen. Letztlich gibt es so viele Formen der Krebsverarbeitung, wie es Krebspatient:innen gibt. Gemeinsam ist nur das Ziel: emotionale Stabilität.
Es ist auch unterschiedlich, wie viel Zeit die einzelnen Menschen benötigen, um wieder ins Leben zurückzukehren. Lassen Sie sich daher von Ihrem Umfeld nicht unter Druck setzen. Wägen Sie bei gut gemeinten Ratschlägen ab, ob Sie diese annehmen können und wollen. Denn was für die eine Person das Richtige wäre, ist es für einen anderen Menschen nicht.
So kommen Sie mit dem Krebs besser klar
Studienergebnisse zeigen, dass über die Hälfte aller Krebspatient:innen messbar unter einer erhöhten psychischen Belastung nach der Krebserkrankung leidet.
Zum Glück können einfache, gut erprobte Selbstfürsorge-Strategien das Risiko minimieren, nach der Krebserkrankung psychisch krank zu werden. Positives Denken, Selbstwirksamkeit und ein gesunder Lebensstil zählen dazu.
Positives Denken und Achtsamkeit
Wie Sie psychisch mit Ihrer Erkrankung umgehen, beeinflusst den Krankheitsverlauf nicht. Das zeigen Studien über verschiedene Modelle der Krebsverarbeitung. Dem Krebs ist es egal, ob Sie versuchen, möglichst positiv zu denken oder sich lieber grübelnd zurückziehen.
Auf Ihr seelisches Wohlbefinden hat es aber durchaus Einfluss: Achten Sie deshalb darauf, dass Sie der Erkrankung jetzt nicht mehr zu viel Raum geben. Aktivieren Sie lieber frühere Interessen und nehmen Sie bewusst Schönes in Ihrem Leben wahr. Achtsamkeit heißt in diesem Zusammenhang: innehalten, sich auf den Moment und die aktuelle Tätigkeit oder Situation konzentrieren und sie genießen.
Selbstwirksamkeit
Eine Krebsdiagnose geht zwangsläufig mit dem Gefühl der Ohnmacht einher. Die meisten Betroffenen fühlen sich ausgeliefert: der Krankheit, dem Schicksal, der rettenden Therapie. Finden Sie heraus, was Ihnen jetzt das Gefühl von Sicherheit und Kontrolle zurückbringt.
Oft reichen simple Dinge wie Spaziergänge, Sporttermine oder ein fröhliches Lunchtreffen mit alten Freunden. Es geht darum, dass Sie Ihr Leben wieder selbst gestalten. Wer die eigene Selbstwirksamkeit wiederfindet, geht einen wichtigen Schritt, um die Krebserkrankung in seelischer Gesundheit zu bewältigen.
Gesund leben
Wer sich aktiv um seine Gesundheit kümmert, fühlt sich automatisch wohler. Schon während der Krebstherapie lassen sich negative Auswirkungen der Behandlung, wie Nebenwirkungen von Medikamenten und mögliche Langzeitfolgen, mildern oder sogar ganz verhindern.
Nach Abschluss der Behandlung hilft eine gesunde Lebensweise dabei, dass Sie sich schnell wieder leistungsfähiger fühlen. Gleichzeitig unterstützen Sie Ihr Immunsystem und senken so das Risiko für ein Rezidiv.
Hinzu kommt der positive Effekt der Selbstwirksamkeit: Das Gefühl, aktiv etwas zur eigenen Gesundheit beitragen zu können, stärkt auch die Seele. Das sind die wichtigsten Stellschrauben, an denen Sie drehen können:
- regelmäßige Bewegung – allein oder noch besser in einer Krebssportgruppe
- ausgewogene Ernährung mit viel frischem Obst und Gemüse, aber wenig Fast Food und Süßigkeiten
- mäßig Alkohol trinken und möglichst auf Nikotin verzichten
- Entspannungstechniken wie Yoga oder Meditation, um Stress und Ängste abzubauen
Psychische Störungen nach Krebserkrankung
Viele Betroffene schaffen es, die Belastungen aus eigener Kraft zu bewältigen. Aber nicht alle. Manche Patient:innen werden nach der Krebserkrankung psychisch krank: Etwa ein Drittel fühlt sich so stark belastet, dass die Kriterien einer psychischen Störung zutreffen.
Häufig diagnostizieren Mediziner:innen etwa eine Depression nach einer überstandenen Krebserkrankung. In diesen Fällen bieten Psychoonkolog:innen und andere Expert:innen intensive therapeutische Unterstützung und behandeln eventuell auch mit Medikamenten.
Survivorship-Programme
In Deutschland gibt es etwa drei Millionen Langzeitüberlebende, also Menschen, die vor mehr als fünf Jahren eine Krebsbehandlung erfolgreich abgeschlossen haben – aber es gibt für sie kaum professionelle Unterstützung.
Eine Ausnahme bilden Survivorship-Programme: Diese ambulanten Anlaufstellen begleiten Menschen über die eigentliche Tumornachsorge hinaus. So können Körper und Psyche den Krebs zeitlich unbegrenzt verarbeiten.
Die Programme bieten zum Beispiel dauerhafte Ansprechpartner:innen und verstehen sich als Mittler zwischen Behandlern, Nachsorge-Ärztinnen und -Ärzten sowie weiteren Spezialisten. Psychologische und rechtliche Beratungen ergänzen oftmals das Portfolio. Allerdings ist das Angebot an solchen Angeboten in Deutschland bislang noch sehr begrenzt.