Knapp ein Drittel aller Frauen, die an Brustkrebs (Mammakarzinom) erkranken, haben eine familiäre Belastung. In diesen Familien treten Brust- und/oder Eierstockkrebs gehäuft auf. Zwischen fünf und zehn Prozent der Betroffenen haben die Mutation in einem Gen, die das Risiko für Brustkrebs deutlich erhöht – meist in den Brustkrebsgenen BRCA1 und BRCA2. Fachleute gehen davon aus, dass bis zu einem Viertel aller Frauen mit Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom) auch eine erbliche Vorbelastung haben.
Brust- und Eierstockkrebs: Familiär immer gleich erblich?
Wichtig zu wissen: Familiärer Brust- oder Eierstockkrebs ist nicht immer gleich erblicher Brust- oder Eierstockkrebs – bei dem die Gene mit im Spiel sind. Denn Brust- und Eierstockkrebs können in bestimmten Familien gehäuft auftreten, ohne dass eine Mutation festgestellt oder ein Gentest gemacht wurde. Auf eine Beteiligung der Gene deutet neben der familiären Häufung auch das Alter zum Zeitpunkt der Diagnose hin. Betroffene Frauen sind nicht selten deutlich jünger als das durchschnittliche Erkrankungsalter. Für Brustkrebs liegt das aktuell bei 64 Jahren, für Eierstockkrebs bei 68 Jahren. Ein weiterer Hinweis ist, dass auch Männer in einer Familie an Brustkrebs erkranken. Brustkrebs tritt bei Männern insgesamt sehr selten auf (pro Jahr erkranken 700 Männer und 75.000 Frauen an Brustkrebs).
Zudem kann der sogenannte triple-negative Brustkrebs (TNBC) auf eine erbliche Ursache hindeuten. Das ist eine bestimmte Brustkrebsform, die sich dadurch auszeichnet, dass den Krebszellen bestimmte Andockstellen für die Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron sowie den sogenannten humanen epidermalen Wachstumsfaktor fehlen.
BRCA-Gene erhöhen das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs
Für die Gene BRCA1 und BRCA2 ist bis heute am besten wissenschaftlich dokumentiert, dass sie das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs erhöhen – und in welchem Ausmaß. Die Abkürzung BRCA steht für „BReast CAncer“, zu deutsch „Brustkrebs“. Diese beiden Gene sind eine häufige Ursache für erblichen Brust- und Eierstockkrebs. Trotzdem gibt es viele Betroffene, deren Erkrankung sich nicht durch diese Genveränderungen erklären lässt.
Die folgenden Charakteristika sind typisch für eine BRCA1- und/oder BRCA2-Mutation:
- Lebenszeitrisiko Brustkrebs:
- durch BRCA1: ca. 65 bis 72 %
- durch BRCA2: ca. 60 bis 69 %
- Lebenszeitrisiko Eierstockkrebs:
- durch BRCA1: etwa 35 bis 45 %
- durch BRCA2: etwa 10 bis 20 %
- Zweitbrustkrebs (in der anderen Brust): Das Risiko für eine zweite Brustkrebserkrankung ist deutlich erhöht, je nach Alter und Gen ca. 20 bis 40 % in 20 bis 25 Jahren.
Neben den bekannten BRCA-Genen haben Forschende mittlerweile weitere Gene gefunden, die mit der Entstehung von erblichem Brust- und Eierstockkrebs assoziiert sind. Je nach Gen (Genveränderung) können sie das Risiko leicht bis deutlich erhöhen. Einige der gefundenen Gene stehen eher mit der Entstehung von Brustkrebs in Verbindung, wieder andere mit der von Eierstockkrebs. Manche der gefundenen Gene begünstigen sowohl Brustkrebs als auch Eierstockkrebs. Forschende haben bis heute die folgenden Risikogene ermittelt:
- für Brustkrebs: ATM, BARD1, BRCA1, BRCA2, CDH1, CHEK2, PALB2, PTEN, RAD51C, RAD51D, TP53
- für Eierstockkrebs: BRCA1, BRCA2, BRIP1, RAD51C, RAD51D
Zusätzliche Risikofaktoren bei erblichem Brustkrebs
Auch wenn das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs durch eine BRCA-Mutation deutlich erhöht ist, bedeutet das nicht, dass Betroffene zwangsläufig erkranken. Faktoren wie Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel können das Erkrankungsrisiko jedoch zusätzlich erhöhen. Bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Wer auf das Rauchen verzichtet, sich gesund und ausgewogen ernährt und sich regelmäßig bewegt, der pflegt einen Lebensstil, der das Risiko potenziell senkt.
Zudem hat man festgestellt, dass sich das Risiko durch einen Typ-2-Diabetes oder einen Prädiabetes, also die Vorstufe von Diabetes, zusätzlich erhöht. Bei Frauen mit BRCA1- oder BRCA2-Mutation senkt eine längerfristige Einnahme der Pille wahrscheinlich das Risiko für Eierstockkrebs. Der Einfluss auf das Brustkrebsrisiko ist komplex; hier ist eine individuelle ärztliche Beratung wichtig.
Verdacht auf erbliche Veranlagung für Brust- und Eierstockkrebs: Beratung und Gentest
Falls Sie vor dem 50. Lebensjahr an Brust- oder Eierstockkrebs erkrankt sind und/oder in Ihrer Familie Brust- und/oder Eierstockkrebs gehäuft auftritt, sollten Sie dem gemeinsam mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt nachgehen. Bei Verdacht auf eine erbliche Veranlagung für Brust- und Eierstockkrebs steht zu Beginn eine ausführliche genetische Beratung. Mittels Gentest lassen sich im Anschluss bestimmte krankheitsauslösende Gene für Brust- und Eierstockkrebs nachweisen.
Eine solche Beratung bieten spezielle Zentren für familiären Brust- und Eierstockkrebs an. Sie sind darauf ausgerichtet, Familien mit einer erblichen Krebsveranlagung kompetent zu beraten und zu betreuen. Sie bekommen hier alle notwendigen Informationen: zum Testablauf, zu möglichen Konsequenzen für Sie und Ihre Familienangehörigen sowie zu vorbeugenden Maßnahmen im Falle eines positiven Tests.
Nehmen Sie sich Zeit, um das Für und Wider eines Gentests abzuwägen. Zudem bieten die spezialisierten Zentren psychologische Unterstützung an, sowohl zur Entscheidung „Pro oder contra Gentest“ als auch im Umgang mit einem möglicherweise positiven Testergebnis.
Früherkennung und Prävention bei festgestellter BRCA-Mutation
Falls der Gentest ergibt, dass Sie Trägerin der BRCA1- oder BRCA2-Mutation sind, haben Sie verschiedene Möglichkeiten: Durch das intensivierte Früherkennungs- und Nachsorgeprogramm (IFNP) soll eine Krebserkrankung möglichst früh erkannt werden.
Es richtet sich an gesunde Frauen mit einer BRCA-Mutation und an Frauen, die deswegen schon an Brustkrebs (oder Eierstockkrebs) erkrankt sind. Letztere Gruppe hat ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs in der zweiten Brust und für die Rückkehr der Krebserkrankung. Die behandelnden Ärzt:innen untersuchen die betroffenen Frauen in regelmäßigen Abständen, insbesondere mittels bildgebender Verfahren wie Ultraschall, Mammographie und Magnetresonanztomographie (MRT). Diese spezielle Früherkennung und Nachsorge findet ebenfalls in Zentren statt, die auf familiären Brust- und Eierstockkrebs spezialisiert sind.
Risiko für Brust- und Eierstockkrebs durch vorbeugende Operationen reduzieren
Zudem können vorbeugende Operationen das Risiko für Brust- und Eierstockkrebs entscheidend senken. Hierbei werden die Brüste und die Eierstöcke nebst Eileiter operativ entfernt. Die Folgen für Körper, Psyche und Lebensplanung sind natürlich weitreichend, und das nicht nur bei einem bestehenden Kinderwunsch. Durch die operative Entfernung von Eierstöcken und Eileitern treten Frauen vor den Wechseljahren direkt in die Wechseljahre über. Zudem kann die Entfernung der Brüste psychisch sehr belastend sein, vor allem für das Selbstbewusstsein, das weibliche Selbstbild und die Attraktivität als Frau. Hier kann eine Brustrekonstruktion unter Umständen Abhilfe schaffen, beispielsweise mittels Implantaten oder mithilfe von körpereigenem Gewebe.
Betroffene haben auch die Möglichkeit einer medikamentösen Brustkrebs-Chemoprävention, z. B. mit Antihormontherapien (Tamoxifen). Für das Eierstockkrebsrisiko spielen dagegen vor allem die Einnahme der „Pille“ sowie die operative Entfernung der Eierstöcke und Eileiter eine Rolle. Hier gilt: Lassen Sie sich zu einer möglichen Chemoprävention umfassend ärztlich beraten und wägen Sie Ihre Entscheidung sorgfältig ab, gemeinsam mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt.
Wichtige Entscheidungsfaktoren sind:
- Alter
- persönliches Erkrankungsrisiko
- Risiken für Nebenwirkungen.
Therapien für Menschen mit BRCA-Mutation
Menschen, die eine BRCA1- oder BRCA2-Mutation tragen und bereits an Brust- oder Eierstockkrebs erkrankt sind, haben unterschiedliche Therapieoptionen. Was zum Einsatz kommt, hängt unter anderem vom Stadium, der Ausbreitung und der Aggressivität der Krebserkrankungen ab. Mögliche Therapien sind beispielsweise:
- eine Operation,
- eine Chemotherapie,
- eine Strahlentherapie,
- eine Antihormontherapie,
- eine sogenannte Anti-HER2-Therapie (Antikörper, die an den HER2-Rezeptor auf den Krebszellen binden, um das Wachstum zu stoppen)
- und/oder eine zielgerichtete Therapie mit sogenannten PARP-Inhibitoren (sie hemmen die DNA-Reparatur in Krebszellen, sodass sich DNA-Schäden in den Krebszellen häufen und zum Absterben führen).