„Ich muss die Deadline für das Projekt schieben, ich brauche einfach länger.”
„Ich fürchte, meine Kollegin muss den Nachmittagstermin für mich übernehmen, ich bin nicht fit genug.”
„Ich würde gern mit den Kolleg:innen etwas trinken gehen, aber ich bin einfach zu platt.”
Kennen Sie Situationen wie diese? Eine Krebserkrankung wirkt sich auf viele Lebensbereiche aus, auch auf das Arbeitsumfeld.
Die Krankheit und die Therapien führen dazu, dass die meisten Krebspatient:innen sich zumindest zeitweise weniger belastbar fühlen. Vielleicht geht es Ihnen ähnlich. Konzentration und Leistungsfähigkeit sind eingeschränkt, Sie leiden unter ständiger Müdigkeit. Und auch die seelische Verfassung ändert sich: Ängste und Sorgen verleiten zum Grübeln.
Das schränkt die Arbeitsfähigkeit zusätzlich ein. Möglicherweise fallen Sie sogar mehrere Wochen lang aus. Oft sind es die Kolleg:innen, die dann in die Bresche springen müssen – wodurch Sie ein schlechtes Gewissen bekommen. Es lohnt sich daher in der Regel, mit offenen Karten zu spielen.
Ich bin an Krebs erkrankt: Soll ich es sagen?
Eine Krebserkrankung ist eine private Sache und es ist verständlich, dass viele Menschen diese Information nicht mit anderen teilen möchten. Vielleicht aus Sorge vor deren Reaktion, aus Angst, dann als schwach zu gelten, oder weil sie einfach Berufliches und Privates trennen möchten.
Und tatsächlich besteht theoretisch die Gefahr, dass Sie fortan in den Köpfen der Kolleg:innen als „der Krebspatient” oder „die Krebspatientin” gelten und Ihnen das Team weniger zutraut. Es mag sogar Konkurrent:innen geben, die gern Ihre Position einnehmen würden.
Dennoch gibt es gute Gründe, die dafür sprechen, den Kolleg:innen von der Krebserkrankung zu erzählen:
- Wenn Kolleginnen und Kollegen über die Krebserkrankung Bescheid wissen, reagieren sie mit mehr Verständnis, wenn Sie zum Beispiel häufiger ausfallen.
- Menschen, die tagtäglich mit Ihnen Zeit verbringen, werden spüren, dass etwas nicht stimmt. Wenn Sie daher offen von der Krebserkrankung sprechen, beugen Sie dem vor, dass die Kolleg:innen sich einen Grund für die Veränderungen selbst zusammenreimen. Offenheit hat dagegen das Potenzial, das Vertrauensverhältnis zu stärken.
- Ein Geheimnis mit sich herumtragen zu müssen, belastet Sie womöglich zusätzlich. Sie brauchen die Energie, um gesund zu werden. Auf der anderen Seite gibt es neue Kraft und Zufriedenheit, wenn Sie mit allen Höhen und Tiefen Sie selbst sein können.
- Von Ihrer Krebserkrankung zu erzählen, öffnet auch die Tür für soziale Unterstützung durch die Kolleg:innen. Möglicherweise hilft es Ihnen, mit den Kolleg:innen über Ihre Krankheit und die damit einhergehenden Herausforderungen zu sprechen.
- Es kann auch für Sie selbst sehr hilfreich sein, wenn Sie offensiv mit der Erkrankung umgehen und somit klar Ihre Prioritäten auf Ihre Gesundheit legen. Der Job und die Karriere sind jetzt nicht so wichtig.
So sagen Sie es den Kolleg:innen am besten
Wenn Sie sich dazu entschlossen haben, den Kolleg:innen von Ihrer Krebserkrankung zu erzählen, überlegen Sie sich im nächsten Schritt, in welchem Rahmen dieses Gespräch stattfinden soll.
Bei einem Thema, das möglicherweise eine Reihe unterschiedlicher und vielleicht auch emotionaler Reaktionen hervorruft, bietet es sich an, es lieber in mehreren kleineren Runden zu besprechen. Auf diese Weise haben Sie außerdem die Möglichkeit zu steuern, wem Sie was erzählen.
Überlegen Sie, wie viel Sie über Ihre Erkrankung preisgeben möchten: Setzen Sie einen Informationsrahmen und stecken Sie ihn sowohl für sich als auch für andere ab. Zu intime Nachfragen beantworten Sie freundlich mit: „Sei mir nicht böse, aber diese Information möchte ich für mich behalten.”
Erklären Sie möglichst offen, was die Krebserkrankung für Ihre Berufstätigkeit bedeutet und ob Sie zum Beispiel Ihre Arbeitszeit reduzieren oder teilweise den Job unterbrechen müssen. Klären Sie auch, was dies eventuell für die Kolleg:innen bedeutet.
Kommunizieren Sie, dass Sie weiterhin Teil des Teams sein möchten – auch wenn Sie es nicht schaffen, an allen Aktivitäten teilzunehmen: „Ich wünsche mir weiterhin, zu Veranstaltungen eingeladen zu werden, auch wenn ich aus gesundheitlichen Gründen häufig absagen muss.”
Wenn Ihnen Gespräche wie diese schwerfallen, hilft eine gute Vorbereitung: Notieren Sie sich, was Sie genau sagen möchten, überlegen Sie, welche Rückfragen eventuell auftauchen. Legen Sie sich ein paar Sätze zurecht und spielen Sie mögliche Reaktionen Ihrer Kolleg:innen durch.
Unterschiedliche Reaktionen der Kolleg:innen sind möglich
Die Diagnose „Krebs” erfüllt viele Menschen mit Angst. Wenn Sie bereits mehrere Jahre in einem festen Team gearbeitet haben, sind dabei bestimmt Bindungen oder vielleicht sogar Freundschaften entstanden.
Wer tagtäglich einen großen Teil des Tages mit denselben Menschen verbringt, teilt Freud und Leid mit ihnen. Und so werden Sie, wenn Sie Menschen, die Ihnen nahestehen, von Ihrer Krebserkrankung erzählen, auf unterschiedliche Reaktionen stoßen:
Manche Menschen reagieren emotional auf die Nachricht, dass Sie an Krebs erkrankt sind. Sie fangen vielleicht an zu weinen oder haben Mühe, ihre Gefühle im Zaum zu halten. Andere versuchen, das Thema schnell abzubügeln, um das Leid gering zu halten, und sagen etwas wie „Ach, das wird bestimmt wieder”. Es gibt auch Menschen, die gar nichts sagen, aus Angst, das Falsche herauszubringen und Sie dadurch zu verletzen.
Und wieder andere reagieren mitfühlend und konstruktiv. Sie bieten ihre Hilfe an – oder helfen, ohne dies vorher zu besprechen –, recherchieren, entwickeln einen „Schlachtplan” im Kampf gegen den Krebs. Egal, welche Reaktion Sie erhalten, achten Sie dabei auf sich selbst. Kommunizieren Sie, welche Reaktionen Sie aushalten und was Sie sich von Ihrem Gegenüber wünschen.
Wie erzählen Sie Ihrem Chef von der Krebserkrankung? Das erfahren Sie hier.