Wer zu seiner Darmkrebs-Therapie weitere Informationen einholen möchte, sollte einige grundlegende Dinge wissen: Gesetzlich Krankenversicherte haben zwar bei bestimmten planbaren Operationen Anspruch darauf, eine zweite Meinung bei einer anderen Mediziner:in einzuholen. Dieses sogenannte strukturierte Zweitmeinungsverfahren wurde im Jahr 2019 eingeführt.
Dabei muss die Ärzt:in Sie mindestens zehn Tage vor dem Eingriff darauf hinweisen, dass Sie ein Recht auf eine zweite Meinung haben. Diese Kassenleistung gilt bisher jedoch nur für wenige, bestimmte Eingriffe. Darmkrebsoperationen zählen derzeit nicht dazu. Möglichkeiten haben Sie dennoch.
Ihr Recht auf freie Arztwahl
Unabhängig vom strukturierten Zweitmeinungsverfahren haben gesetzlich Versicherte immer das Recht auf freie Arztwahl und können daher eine weitere Ärztin oder einen weiteren Arzt um Rat fragen. Sie müssen sich selbst darum kümmern und auch selbst einen entsprechenden Spezialisten oder eine Spezialistin finden. Um sicherzugehen, sollten Sie sich vorher über eventuelle Kostenfolgen bei Ihrer Krankenkasse informieren. Das gilt insbesondere für privat Versicherte.
Freiwillige Leistungen mancher Krankenkassen
Einige gesetzliche Krankenkassen bieten ihren Versicherten von sich aus die Möglichkeit, auch für andere Eingriffe eine zweite Meinung nach Vorgabe des strukturierten Zweitmeinungsverfahrens einzuholen – sie kooperieren dann selbst mit bestimmten Spezialist:innen. Ob die Zweitmeinung bei Darmkrebs zum Angebot gehört, können Sie bei Ihrer Krankenkasse direkt erfragen.
Beim strukturierten Zweitmeinungsverfahren gibt es für die Mediziner:innen bestimmte Vorgaben, an denen sie sich auch bei der eigenen Auswahl für die Darmkrebs-Beratung orientieren können: Die Ärztinnen oder Ärzte für die Zweitmeinung müssen für das entsprechende Fachgebiet besonders qualifiziert sein. Sie dürfen nicht im selben Klinikum oder in derselben Praxis arbeiten wie der:die Medizinerin, der:die die erste Behandlungsberatung übernommen hat. Sie dürfen auch nicht in dem Krankenhaus arbeiten, in dem die OP durchgeführt werden soll.
Zweitmeinung bei einem zertifizierten Zentrum
Darmkrebs-Patient:innen haben darüber hinaus die Möglichkeit, eine zweite Meinung in einem Zentrum mit einer Zertifizierung der Deutschen Krebsgesellschaft einzuholen. Die Kosten dafür werden derzeit von etwa 30 Krankenkassen übernommen.
Vor- und Nachteile der Zweitmeinung
Ein Blick auf Details: Der Arzt oder die Ärztin, die für eine zweite Meinung konsultiert werden, stützen sich bei ihrem Urteil auf die Befunde, die Sie als Patient:in von ihrem ersten Mediziner:in bekommen haben. Dieser muss Ihnen die Unterlagen auf Wunsch zusammenstellen. Sind diese Befunde nicht ausreichend, kann der Arzt oder die Ärztin für eine zweite Meinung weitere Unterlagen anfordern oder auch weitere Untersuchungen durchführen. Dadurch besteht immer die Möglichkeit, dass der:die Zweitmeiner:in neue Aspekte und Möglichkeiten im Behandlungsverlauf sieht.
Die Behandlung nicht verzögern
Wichtig zu wissen ist, dass beim strukturierten Zweitmeinungsverfahren sogenannte maligne Erkrankungen, also bösartige Krankheiten, zu denen auch Darmkrebs gehört, aus bestimmten Gründen ausgeschlossen sind. Verzögerungen im Behandlungsablauf sollen vermieden werden. Auch gibt es für Krebspatient:innen oft spezielle Tumorkonferenzen – eine Zweitmeinung könnte zu Dopplungen und ebenfalls zu Verzögerungen führen.
Wirtschaftliche Interessen bei einer Zweitmeinung
Bedenken Sie, dass es außerhalb des strukturierten Zweitmeinungsverfahrens keine qualitativen Vorgaben gibt. Als Darmkrebsbetroffene:r haben Sie in der Regel nur die Möglichkeit, eine normale Zweitmeinung auf der Basis Ihres Rechts auf freie Arztwahl zu bekommen. Auch bei Darmkrebs muss eine Zweitmeinung nicht zwingend unabhängig sein. Wirtschaftliche Interessen spielen in der Medizin ebenso eine Rolle wie in anderen Bereichen. Es ist also möglich, dass Geschäftsinteressen mit in die Beratung einfließen.
Lassen Sie sich nicht verunsichern
Umgekehrt kann es bei einer freiwilligen Leistung der Krankenkasse durch kooperierende Spezialist:innen geschehen, dass von der teureren Behandlungsvariante eher abgeraten wird. Auch dabei spielen die wirtschaftlichen Interessen eine Rolle. Davon sollten Sie sich nicht verunsichern lassen, die Information jedoch im Hinterkopf behalten. Bei einer freiwilligen Leistung Ihrer Krankenkasse kann es daher sinnvoll sein, zu erfragen, warum der zweitmeinende Arzt:Ärztin als Spezialist:in besonders geeignet ist.
Was Ihnen weitere Informationen bringen
Bleibt zu klären: Muss ich mich operieren lassen? Kann man eine Chemo ablehnen? Je nach persönlicher Lebenssituation und den eigenen Wünschen sind solche Fragen für die Betroffenen relevant. Sie können sich, sobald Sie die zweite Meinung eingeholt haben, immer für die aus Ihrer Sicht beste Therapie entscheiden. Sie dürfen auch eine bereits geplante Operation absagen, wenn Sie sich für eine andere Behandlung entscheiden wollen. Der oder die Zweitmeiner:in stellt Ihnen auf Wunsch eine schriftliche Zusammenfassung zur Verfügung oder sendet diese auch an Ihren behandelnden Arzt oder Ihre behandelnde Ärztin. Es steht Ihnen im Übrigen frei, von welchem der beiden Ärzte Sie sich im Anschluss an die Zweitmeinung behandeln lassen.
Die Entscheidung treffen immer Sie
Schon nach der Zweitmeinung können Sie vor einer wichtigen Entscheidung stehen: Wenn sich nämlich Erst- und Zweitmeinung unterscheiden. Sich mit möglicherweise weiteren abweichenden Einschätzungen befassen zu müssen, hilft Betroffenen in der ohnehin schwierigen Lage nicht weiter. Zumal Sie zwar das Recht der freien Arztwahl haben, die gesetzlichen Krankenkassen aber nicht verpflichtet sind, Ihnen mehrere „Zweitmeinungen“ zu finanzieren.
Wann die Zweitmeinung wenig Sinn macht
Wenn die Zeit drängt, etwa bei Darmkrebs im fortgeschrittenen Stadium, stellt sich die Frage, ob das Einholen der zweiten Meinung zeitlich überhaupt sinnvoll ist. Als Betroffene:r müssen Sie diese Entscheidung gegenüber einem frühzeitigen Therapiebeginn selbst abwägen.